Interview mit Abdul Kader Chahin

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Abdul Kader Chahin schreibt Texte, die zugleich unterhaltsam und gesellschaftskritisch sind. Er kommt aus Duisburg und ist viel im Ruhrgebiet unterwegs. Lisa Brück aus dem Wohnzimmerslam-Team und Abdul bilden zusammen ein Slam-Team.
Was fühlst du, wenn du anmoderiert wirst?
Das kommt immer darauf an, wie ich anmoderiert werde (bezüglich der Moderation im Generellen).
Ansonsten fühle ich immer: Was denkt das Publikum so? Keine meiner Befürchtungen hat sich bis dato bestätigt.
Warum Poetry Slam?
Poetry Slam ist seit 2011 ein großer Bestandteil meiner Theaterworkshops und Projekte. Natürlich unterscheidet sich die Performance total. Ich wollte aber seit Ende 2018 „mein eigenes Ding machen“ und hatte ein großes Mitteilungsbedürfnis, was man in diesem Bogen leicht ablesen kann. 🙂
Um was ging es in deinem ersten Slamtext?
Mein erster „Bühnen-Slamtext“ heißt „El Classico“. Es geht um Fußball und den Nahostkonflikt. Der erste Konflikt, den ich in meinem Leben hatte.
Unter welchen Gegebenheiten fühlst du dich am kreativsten?
Kommt immer darauf an – nehme ich den Begriff Kreativität so, wie er ist, dann fühle ich mich immer kreativ. Schöpferisch bin ich aber nur, wenn mal wieder Riesendruck da ist. Nach schlechten Erfahrungen beispielsweise. Lustige Schöpfungen schaffe ich auf der anderen Seite nur, wenn ich mich positiv halten kann. Klappt bis jetzt sehr gut.
Du hast gemeinsam mit Lisa aus unserem Team zum Tag gegen rassistische Diskriminierung einen Text über Oury Jalloh geschrieben, der als Video auf deinem Instagram-Account zu finden ist. Spürst du einen Unterschied zwischen der Reaktion auf live gelesene Texte im Gegensatz zu denen, die im Internet frei auffindbar sind?
Ja, natürlich, es ist ein Riesenunterschied. Onlinebeiträge wirken anders als ein Präsensauftritt. Einen Onlinebeitrag kann man anders darstellen, die Wirkung findet auch viel individueller statt. Auf der Bühne hat man eine Atmosphäre, direkte Reaktionen und Emotionen. Ich bevorzuge die Bühne. Bis dahin wird online noch einiges kommen.
Ist es dir wichtig, von dir Geschriebenes zu etwas Politischem zu formen und gibt es in deinen Augen überhaupt so etwas wie unpolitische Texte?
Es ist, wie es ist. Meistens werden „kritische“ Texte bei mir persönlich automatisch politisch. Ja, unpolitische Texte sind die, von denen es leider zu wenig gibt. Texte, die sich mit den schönen Dingen befassen.
Nun ein paar „persönlichere“ Fragen:
Was war dein krassester / unangenehmster Bühnenunfall?
In Frankfurt hatte ich einen Auftritt, bei dem ich meinen Text „Musik“ gelesen habe. Ein Text, der Rassismus in Deutschland aus meiner betroffenen Sicht heraus „erklärt“. Eine Künstlerin (no names now) hat unmittelbar nach dem Auftritt erklärt, was sie schon alles für die geflüchteten Kinder seit 2015 getan hat. Entweder wollte sie sich der Verantwortung entziehen (voraus geht ein Schuldempfinden, warum auch immer), oder sie wollte sich inszenieren, weil sie mir nicht zutraut, mich selbst zu erklären. Oder beides. Sehr unangebracht. Die Mehrheit der Künstler:innen hat aber geil reagiert, sich also in der Resonanz nur auf den Text bezogen.
Was war bisher dein schönster Slammoment?
Ich kann mich leider nicht festlegen, ich hoffe, es ist okay, dass ich paar nenne:
Mein erster Auftritt bei Malte Küppers in Marxloh, nachdem ich wochenlang von den meisten (alle anderen) Veranstalter:innen nicht einmal eine Antwort bekommen hatte. Oder dass Malte mich im letzten Jahr zu den NRW-Online-Meisterschaften geschickt hat (was leider abgesagt wurde). Oder Jay, der mich immer wieder unterstützt, von Herzen, dass ich es spüre. Genauso wie Sebastian 23. Oder Markim und Jonas. Oder Oskar und Lukas. Meine schönsten Auftritte waren im Zakk, bei der Weststadtstory in der Weststadthalle, im Riff und in Aachen („Satz nach vorn“).
Gibt es eine Person, die niemals einen (bestimmten) Text von dir hören oder lesen sollte?
Zum Glück gibt es diese Person nicht. Aber auch nur, weil mir die Meinung einiger Familienmitglieder und Freund:innen egal ist.
Welchen Instagram-Beitrag hast du als Letztes gespeichert?
Einen Beitrag über Wale und deren Kommunikation.
Worüber hast du zuletzt so richtig laut gelacht?
Über die „Amazon Prime“-Show „LOL“. Kann ich echt nur empfehlen, auch wenn es “nur” eine Show ist.
Vor dir haben wir Jule interviewt. Folgende Frage hat sie uns für die nächste Person, die interviewt wird (in dem Fall du), vorgeschlagen: An welchen Ort gehst du, wenn es überall sonst zu viel wird?
Mein Rückzugsort in Duisburg (natürlich, wo denn auch sonst) ist zum einen der Rhein in Homberg an der Brücke der Solidarität. Zum anderen die Sechs-Seen-Platte in Duisburg. „Dort tanke und danke ich der Energie, die an diesen Orten lebt.“
Zum Abschluss:
Was ist dein Lieblingsgegenstand in deinem Wohnzimmer?
Ein Foto von meinem Opa.
Wenn du eine Regel erfinden dürftest, an die sich alle Poet:innen, die Moderation und das Publikum digital und analog auf jedem Poetry Slam halten müssten, welche wäre es?
Diese Frage verstehe ich als einen Wunsch für die Szene: Zugänglichkeit und ein bisschen mehr „back to the roots“. Große Bühnen für alle. Weniger Wettbewerb. Ach, ich merke, dass ich mir eigentlich so viel wünsche und schon so viel geschrieben habe.
Was würdest du der Person nach dir für eine Frage stellen (wir verraten nicht, wer das ist)?
Hast du heute schon in den Spiegel geschaut und gesehen, wie toll du bist?
Was ist dein größter Traum im Poetry Slam?
Bei einer Meisterschaft mitzumachen, wäre cool, weil man in der Szene gefühlt fast nur danach bemessen wird. Warum man überhaupt bemessen werden muss? Hier ist aber momentan ein Prozess im Gange, in dem ich genau das hinterfrage.
Besserer Traum: Dass meine Stadt endlich mehr Kultur und Kunst zulässt. Damit diese ganzen unscheinbaren tollen Menschen ne große Bühne umme Ecke haben.