Interview mit Jay Nightwind

Mehr von Jay Nightwind:
Jay Nightwind hat schon mit Worten gepuzzelt, bevor ein paar Teammitglieder des Wohnzimmerslams überhaupt wussten, was ein Poetry Slam ist. Unter anderem wurde er 2017 zum Essener Stadtmeister gekürt, außerdem moderiert er verschiedene Slam-Veranstaltungen und steht auch als Slammer auf Bühnen.
Was fühlst du, wenn du anmoderiert wirst?
Den Startschuss. Ich sehe Slam sehr sportlich und ab dem Moment, wo ich angesagt werde, ist das meine Zeit mit dem Publikum. Die möchte ich bestmöglich nutzen und, wenn auch ich vielleicht nicht den besten Text des Abends mache, mindestens die mir bestmögliche sportliche Leistung abliefern.
Als du das erste Mal auf einer Slam-Bühne standest, konnten manche der Menschen, die du jetzt anmoderierst, nicht einmal schreiben. Was schätzt du, wie viele Slammer:innen du in diesen Jahren bereits kennengelernt hast?
Mehrere Hundert habe ich schon getroffen. Locker. NRW ist ja voll von Bühnen-Poet:innen. Einige sind vielleicht nur dreimal aufgetreten, andere treffe ich immer wieder. Aber wirklich gut kennen, würde ich sagen, tue ich nur wenige. Andersherum ähnlich: ich glaube, viele wissen wer ich bin, doch wenige kennen mich wirklich gut und vollständig.
Was war dein Outfit bei deinem ersten Slam-Auftritt (detaillierte Beschreibung bitte)?
Weil ich das als was sehr Offizielles wahrgenommen habe, habe ich mein ordentlichstes schwarzes Hemd getragen (und sogar gebügelt). Dazu eine ordentliche Jeans, die guten Bewerbungsgesprächsschuhe. Außerdem habe ich damals aber auch noch viel Schmuck getragen. Acht Ringe mit unterschiedlichen Motiven, dazu eine silberne Halskette mit Drachenanhänger. Ich bereue das nicht, aber ich vermisse es auch nicht.
Du hast die „New Generation“ als U20-Format ursprünglich ins Leben gerufen und bist da auch immer noch sehr aktiv. Wie fühlt es sich an, junge Poet:innen in ihrer künstlerischen Entwicklung beobachten und unterstützen zu dürfen?
Für mich ist es mit das Beste. Unabhängig von Slam ist mein Ziel im Leben, Menschen dabei zu helfen, sich freiheitlich nach ihren Wünschen weiterzuentwickeln. Das Gute bei Slam ist, dass ich da einfach richtig viel Werkzeug habe und mein Wissen sehr nützlich ist. Ich sehe dann gerne, wie Poet:innen ihre Texte auf der Bühne umsetzen und sich über die Zeit verändern.
Gleichzeitig mag ich die Arbeit mit Jugendlichen sehr, weil ich mir als Jugendlicher ein Forum wie Slam immer gewünscht hätte. Vor einem Publikum stehen zu können und über Politisches, Gesellschaftliches reden zu können, Kritik zu äußern und Leute hören sich das freiwillig an, das ist eine der besten Spielarten von gelebter Demokratie.
Wir wissen, für dich ist die Bühne heilig. Auch wenn diese zurzeit nur schwer begehbar ist. Kannst du dennoch positive Aspekte aus Online-Formaten ziehen, die auf der Bühne nicht erfahrbar sind?
Für mich ist das extrem schwierig zurzeit. Ich habe schon immer viel im Internet gemacht, aber es brauchte bei allem, was ich tue, auch immer einen „praktischen“ Teil. Es ist für mich nicht dasselbe, in einem Stream eine Reaktion vom Publikum zu sehen, wie vor einer echten Bühne. Das Wichtigste, was ich sehe bei Online-Formaten, ist die Tatsache, dass die Szene weitermacht und nicht aufhört. Das ist anstrengend und sicher an einigen Stellen auch undankbar, aber auch wichtig. Sonst werden wir als Szene nämlich unsichtbar und müssen irgendwann von ganz vorne anfangen.
Wir haben mal ein bisschen über dich recherchiert. Was verbindest du eigentlich mit Mönchengladbach? 😉
Ich weiß nicht genau, was ihr da recherchiert habt, aber zum einen habe ich da mal im Finale der NRW-Meisterschaft gestanden. Das hat mir damals extrem viel bedeutet. War auch alles an dem Abend lange Zeit spannender als für mich nötig. Nachher war ich sehr froh, dass der Titel nach Essen gekommen ist, aber ihn unsere fantastische Sandra Da Vina mitgenommen hat.
Wichtiger ist für mich, dass diese Stadt vor einiger Zeit einen meiner besten Freunde produziert hat, was ich Mönchengladbach als extrem lässigen Move anrechne.
Nun ein paar „persönlichere“ Fragen:
Was war dein krassester/ unangenehmster Bühnenunfall?
Meine Vorrunde beim NRW-Slam in Münster. Ich bin komplett auseinandergefallen in meiner Leistung und bin heute noch sauer auf mich, wenn ich daran denke. Zum Glück hat sich in derselben Vorrunde nachher noch jemand komplett ausgezogen, sodass sich außer mir niemand an diesen Auftritt erinnert.
Was war bisher dein schönster Slammoment?
Ich mag so Superlative nicht. Es gibt viele Momente, die in ihrem Kontext und ihrer Kategorie ihre Berechtigung haben. Eine meiner liebsten Erinnerungen ist aber das Finale des „Lyrik gegen Prosa“-Turniers im New Generation Slam. Dieses Turnier hat diverse „First evers“ beinhaltet und am Ende haben die Poet:innen den Abend auf so viele Arten an sich gerissen. Sie dachten damals, dass sie mich damit trollen und überraschen, aber die Überraschung war, dass ich mir genau das gewünscht hatte: einen Abend, an dem alle auf der Bühne ein heftiges Ensemble sind und zusammenspielen.
Was hast du eigentlich #heutegelernt?
Der Gedanke, der mich aktuell am meisten beschäftigt, ist der, dass ich meiner Wut mehr Raum geben muss. Wut ist ungelenkte Energie und ich glaube, dass, wenn mensch versucht, sie auf einen engen Raum in sich zu begrenzen, daraus ein ganz schöner Sprengsatz wird. Und dann reißt es alle um einen und sich selbst nur kaputt, wenn der mal hochgeht. So sollte ich die Energie nicht ablassen.
Vor dir haben wir Emely interviewt. Folgende Frage hat sie uns für die nächste Person, die interviewt wird (in dem Fall du), vorgeschlagen: Gehört Butter unter Nutella?
Hm. Ich esse eigentlich weder Butter noch Nutella, aber gehört unter beides vor allem nicht erstmal ein Brot?
Zum Abschluss:
Wessen Skills hättest du lieber: die von H.P. Baxxter oder Dwayne Johnson?
Ganz klar: H.P. Baxxter. Der ist auch Bühnenmensch und kann schwache Texte mit starker Ausstrahlung und Stimmleistung ausgleichen, um zu begeistern. Dwayne „The Rock“ (so viel Zeit muss sein) Johnson ist zwar auch ein fantastischer Entertainer und ein guter Wrestler, aber da gucke ich lieber zu.
Was würdest du der Person, die nach dir interviewt wird, für eine Frage stellen (wir verraten nicht, wer das ist)?
Wenn du eine Pizza wärest, welchen Belag hättest du?
Was ist dein Lieblingsgegenstand in deinem Wohnzimmer?
Das Sofa.
Was ist dein persönlich größter Traum im Bereich Poetry Slam?
Das Spiel zu verändern und mit denen aufgezählt zu werden, die nachhaltige Verbesserungen für Poetry Slam in NRW bewirkt haben.
Gibt es einen Traum von dir, der bereits erfüllt worden ist?
Eine Essener Stadtmeisterschaft zu haben, die unsere lokale Szene feiert und die Bandbreite unserer Wortsportler:innen abbildet.