Interview mit Sven Timpe

Veröffentlicht von wohnzimmerslam am

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Er ist lustig, queer und heißt Sven – geht es noch besser? Sven Timpe war schon mehrmals beim Storyslam des Wohnzimmerslams zu sehen, wobei er einmal Vizemeister werden durfte. Seine geschriebenen und gesprochenen Worte haben unter anderem CSD-Bühnen, Slam-Locations in mehreren Bundesländern sowie das weite Internet bereichert.

Was fühlst du, wenn du anmoderiert wirst?

Nur Freude. In dem Moment nur Freude, davor bin ich auch häufig noch nervös. Wie sehr ich nervös bin, hängt von Faktoren wie der Location, der Veranstaltung, dem Line-Up und meiner allgemeinen Stimmungslage ab. Auf der Fahrt zum Slam beschäftige ich mich damit, wie ich den Text rüberbringen möchte. Was für eine Stimmung habe ich heute? Welche Rolle, beziehungsweise Seite, von mir trägt den Text vor? Bevor der Slam beginnt, trage ich den Text als Übung einmal in einer ruhigen Ecke vor. Beim Anmoderieren fühle ich nur Freude.

Unter welchen Gegebenheiten fühlst du dich am kreativsten?

Beim Joggen oder Spazieren fallen mir immer gute Ideen ein. Am wichtigsten sind für mich Ideen, wie ich Inhalte ausdrücken kann. Wenn ich schon ungefähr weiß, was ich schreiben möchte, dann kommen auch weitere Ideen. Gerade fällt es mir schwer, ganze Slam-Texte zu schreiben, weil es unklar ist, wann wieder richtige Poetry Slams stattfinden können.

Wie schaffst du es, professionell seriös zu sein?

Das bezieht sich vermutlich auf meine Instagram-Bio, in der zurzeit steht: „Ich bin seriös und mache das professionell“. Davor habe ich in meiner Bio Institutionen verlinkt, für die ich arbeite und noch „Poetry Slam und Handstand machen“ dazugeschrieben, aber ich finde, gerade fasst es das „seriös und professionell“ gut zusammen und ich finde, das klingt ein bisschen witzig. Naja. Wie bin ich also bei der Arbeit für die IB Freiwilligendienste, dem Queer-Referat der Frankfurt UAS, bei Poetry Slam-Veranstaltungen und Workshops und beim Handstand machen professionell und seriös? Mir ist es wichtig, dass sich bei meinen Veranstaltungen alle wohlfühlen und alle etwas Neues lernen. Zudem versuche ich immer, wenn es vom Thema her passt, zu unterhalten. Außerdem will ich immer hinter den Veranstaltungen und den Angeboten stehen. Also mir sollten meine Vorträge und Workshops auch immer gut gefallen, wenn ich Teilnehmer wäre.
Vielleicht ändert sich aber im nächsten Monat meine berufliche Situation, dann ändere ich meine Bio. Folge mir deswegen auf Instagram @daktylus_sven.

Stell dir vor, du dürftest eine Regel festlegen, an die sich alle Slammer*innen und Moderierenden sofort halten müssten, welche wäre das?

Jedes 26ste Wort und jeder fünfte Vers müssen sich reimen. Ich habe nämlich am 26.05. Geburtstag und freue mich schon sehr.

Nun ein paar „persönlichere“ Fragen:

Was war aufregender: dein Coming-out oder das erste Mal Slam-Bühne?

Aufregung hat für mich eine positive Bedeutung. Beim Auftreten ist es so, dass ich mich auf den Moment, die direkten Reaktionen, also Applaus, und die späteren Reaktionen – zum Beispiel Nachrichten auf Instagram und Gespräche nach dem Slam – freue. Meistens ist alles gut und manchmal alles sehr gut. Wenn ich mal nicht mit meinem Auftreten zufrieden bin, dann bin ich am Abend schlecht drauf, aber am nächsten Tag ist alles wieder gut. Bei einem Coming-out habe ich Respekt oder Angst, denn es ist immer möglich, dass die Personen nicht gut reagieren und sie mich nicht akzeptieren.
Mein erstes Coming-out hatte ich betrunken, weil ich mich sonst nicht getraut hätte. Meinen ersten Auftritt hatte ich zusammen mit Celina Spanier, einer guten Freundin, im Kulturfenster in Heidelberg. Celina und ich sind beide ins Finale gekommen und es war ein sehr schöner Abend. Um die Frage zu beantworten: Mein erster Auftritt war aufregender.

Hast du queere Vorbilder auf der Bühne?

Kennt ihr Sven Hensel? [Ja, den kennen wir, der ist sogar in unserem Team] Also Sven ist auf jeden Fall ein Vorbild von mir. Durch YouTube-Videos von ihm bin ich großer Fan geworden. Bei den U20-Meisterschaften 2019 gab es für mich einige Fanboy-Momente, weil er in meiner Nähe war. Einmal hat er sogar Freundinnen und mich dazu eingeladen, mit ihm und weiteren Personen zu einer Kirmes zu gehen. Dann konnte ich mehrere Tage an nichts anderes mehr denken und Carro und ich sind in der Vorrunde rausgeflogen. Mittlerweile kennt mich Sven und er reagiert sogar manchmal auf meine Storys. Dann freue ich mich mehrere Tage, aber kann trotzdem noch an andere Dinge denken. Meistens zumindest.
Außerdem sind Christian Ritter und Carro Goebel queere Vorbilder für mich.

Was war bisher dein schönster Slam-Moment?

Am 11.3.2020 bin ich sehr spontan in Konstanz bei einem von Sven Hensel moderierten Queer Slam aufgetreten. Am Nachmittag davor kam die Anfrage und abends habe ich noch schnell einen neuen Text fertig geschrieben. Es war sehr schön, durch halb Deutschland zu einer schönen Stadt zu fahren und dort Sven Hensel kennenzulernen und zwei Freundinnen wiederzusehen. Die Location, ein altes Kino, war wunderschön. Die Stimmung war grandios und es gab für alle Sekt! Zudem war es sehr schön, weil ich zum ersten Mal einen sehr persönlichen Text vorgetragen habe, das hat Überwindung gekostet, die dann durch ein gutes Gefühl belohnt wurde.

Gibt es eine Person, die niemals einen (bestimmten) Text von dir hören / lesen sollte?

Alexander ist ein Junge aus meiner ehemaligen Grundschulklasse. Damals waren wir nicht befreundet und hatten nach der Grundschulzeit keinen Kontakt mehr. In der Oberstufe hatten wir gemeinsame Freundinnen und wir folgten uns auf Instagram. Da ist mir aufgefallen, dass er der schönste und cuteste Junge der Welt ist und ich habe mich unendlich in ihn verliebt. Eine Freundin von mir hat ihm meinen Snapchat-Namen geschickt, damit er sich bei mir meldet, aber er hat sich nie gemeldet. Manchmal sehe ich ihn in Bad Kreuznach und mein Herz wird ganz warm.
Die sehr einseitige Liebesgeschichte zwischen Alex und mir habe ich in einem Text verarbeitet, den er wohl besser nicht lesen sollte. Das Ende des Textes ist:

Alex.
Du behandelst mich zwar gerade wie Luft,
aber denk daran, dass du Luft zum Leben brauchst.

Zeig uns gerne auch eine Zeile aus einem unfertigen Text von dir!

Das erste Mal darüber gefreut, dass wir mehr sind, habe ich mich im Kindergarten.
Als sich die Kindergartenkinder auf alle Gruppen verteilen durften, da habe ich nachgezählt und in meiner Gruppe, der Gruppe „Marienkäfer“, waren am meisten Kinder. Das sprach damals klar dafür, dass wir die besten Kinder, Erzieherinnen und die beste Infrastruktur des gesamten Kindergartens „Die Sonnenkinder“ hatten.
Ich war stolz.

Vor dir haben wir Svenja interviewt. Folgende Frage hat sie uns für die nächste Person, die interviewt wird (in dem Fall du), vorgeschlagen: Was war dein krassester Pandemie-Moment?

Ich finde es gerade spannend, dass ich täglich neue Testzentren beim Laufen durch die Stadt entdecke. Mein krassester Pandemie-Moment war vermutlich am 17.03.2020 als ich in Köln zum Bahnhof gelaufen bin und die Straßen leer waren und eine Endzeit-Stimmung herrschte. Damals gab es insgesamt 1000 Corona-Fälle in Deutschland. Ein paar Tage vorher, am 13.03.2020, bin ich mit dem Zug nach Dortmund zum Queer Slam gefahren, der abgesagt wurde, als ich durch Bochum durchgefahren bin. Wenige Stunden später ist auch der U20 Slam in Gummersbach ausgefallen, sodass ich ein bisschen lost in NRW war.

Zum Abschluss:

Wärst du lieber Meister im Poetry Slam oder im Handstand machen?

Ich entscheide mal aus der Perspektive, dass mich Personen in der Öffentlichkeit auffordern werden, dass ich mein besonderes Talent zeige. Zum Beispiel im Aldi oder im Bahnhof. Wenn ich Meister im Poetry Slam wäre, dann wäre das ziemlich kompliziert. Um Poetry Slam zu zeigen, brauche ich eine Erwartungshaltung des Publikums, gute Stimmung und viele Leute, das ist beim Aldi oder im Bahnhof nur mit großem Aufwand zu gewährleisten. Als Meister im Handstand machen kann ich immer und überall mein Talent zeigen. Also zum Beispiel auch im Aldi oder im Bahnhof. Also wäre ich lieber Meister im Handstand machen.

Was würdest du der Person, die nach dir interviewt wird, für eine Frage stellen (wir verraten nicht, wer das ist)?

Worüber würdest du gerne ein Buch schreiben?

Was ist dein Lieblingsgegenstand in deinem Wohnzimmer?

Ich habe kein Wohnzimmer. Wenn ich bei meinen Eltern bin, dann schaue ich gerne Fernsehen. Vielleicht ist dann der Fernseher mein Lieblingsgegenstand.

Was ist dein größter Traum im Poetry Slam?

Ich will in Bad Kreuznach und Umgebung regelmäßig Poetry-Veranstaltungen etablieren. Dreimal im Jahr mit dem AJK einen Poetry Slam mit offener Liste, einen Best of Slam in der Loge und einen Themen Slam-Open Air. Wenn es sich anbietet, auch Veranstaltungen in anderen Städten oder in der Stadt, in der ich wohne, moderieren. Als Poet möchte ich mich weiterhin ausprobieren, Spaß haben und zufrieden mit mir selbst sein. Nach der Pandemie wieder deutschlandweit unterwegs zu sein, ist ebenfalls ein Traum.

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